Johann Gottlieb Nathusius (1760-1835) und Philipp Nathusius (1815-1872), Carl von Dippe (1852-1900) und Herbert Beer (geb. 1935) sind Namen, die Quedlinburgern nur noch bedingt bekannt sind. Was verband sie und welchen Bezug haben sie zu Quedlinburg und Althaldensleben bzw.Hundisburg?
Die Geschichte beginnt mit Johann Gottlieb Nathusius. Durch seine Liebe zu den Pflanzen erlangte er früh gärtnerische Kenntnisse. Geschäftliche Erfolge in der Großkaufmannsfirma Sengewald in Magdeburg, die er 1793 alleinig leitete, führten zu einem beträchtlichen Startkapital. Die in dieser Zeit aufblühende Zuckergewinnung zunächst aus der Runkelrübe, dann ab 1850 aus der gezüchteten Zuckerrübe, führte zur Nachfrage nach Sorten mit immer höherem Zuckergehalt und deren Saatgutvermehrung und Handel. „Die hohen Preise des Zuckers in den Kriegsjahren brachten ihn (Nathusius) auf den Gedanken im Jahre 1809 eine Runkelrüben-Zuckerfabrik anzulegen.“ Deswegen erwarb er 1810 seinen ersten großen Besitz, das Kloster Althaldensleben. Einer seiner vielfältigen Gewerbebetriebe errichtete er als Althaldenslebener Zuckerfabrik (1813-1820). Sein Gärtnermeister Herr Reinhardt, "welcher im Herbst 1812 und Winter 1813 den Umfang der Zuckersiederey mit geleitet hatte, auch den Bau der Runkelrübe mit betrieben hatte, war auch im Tabakanbau als Planteur bekannt." Nathusius kannte zwar das chemische Verfahren der Zuckergewinnung (Rübenzuckerfabrik Althaldensleben), aber der finanzielle Erfolg blieb aus.
Sein Sohn Philipp Nathusius (1815-1872) "verkaufte 1849 Althaldensleben an seinen Bruder Heinrich und gründete 1850 mit dem „Lindenhof“ in Neinstedt ein Knabenrettungs- und Brüderhaus, dessen äußere Leitung Philipp als Vorsteher selbst übernahm. Von nun an stellte er sein Leben ausschließlich in den Dienst der Inneren Mission, wofür er letztlich 1861 in den Adelsstand erhoben wurde. Er starb am 18. August 1872 während eines Kuraufenthaltes in Luzern. In seiner Familie spielte das Christentum eine dominierende Rolle."
Die Verbindung von Althaldensleben und Quedlinburg beruht auf der Pflanzenzüchtung. Sehr frühzeitig hatten Quedlinburger Kunstgärtner mit der Züchtung neuer Runkelrübensorten in den Betrieben von Andreas Keilholz und Heinrich Mette begonnen. Schließlich entwickelte sich auch deswegen eine profitable Zuckergewinnung in der preußischen Provinz Sachsen, Regierungsbezirk Magdeburg mit der Zuckersiederei von Hanewald und Zerbst 1833 im Badeborner Weg. Das erforderliche Rübensaatgut kam von den oben genannten Firmen. Ab 1850 übernahm dann Gustav Adolf Dippe (1824-1890) die lokale Führung in der Züchtung, dem Anbau und weltweiten Handel von Zuckerrüben. Sein Sohn Carl (auch Karl) von Dippe (1852-1900) konnte die von Vilmorin (Frankreich) entwickelte Zuchtmethodik der Individualauslese mit Nachkommenschaftsprüfung im Unternehmen der Gebr. Dippe erfolgreich durchsetzen. Damit hatte er anfangs einen erheblichen Vorsprung zur Konkurrenz, wie Rabethge & Giesecke in Kleinwanzleben und ca. 60 weitere Mitbewerber zwischen Braunschweig und Nordhausen. Die Familie Dippe war um 1900 eine der reichsten Familien in der Provinz Sachsen. Karl v. Dippe und Anna Esche, geb. v. Dippe, führten die Liste der reichsten Bürger an. Das Kapital der Familie belief sich auf zirka 70 Millionen. Das meiste davon stammte aus der Zuckerrübenzüchtung und dem Samenhandel damit. Die Profite aus Gemüse-, Blumen- und Landwirtschaftliche Sämereien waren dagegen untergeordnet.
Karl war königlich preußischer Kommerzienrat, wurde 1900 in den erblichen Adelsstand erhoben und war leitender Mitinhaber des Familienunternehmens. Er ließ in Quedlinburg die Villa im Neuen Weg Nr. 23 (zur Stumpfsburger Brücke hin) erbauen. 1893 erwarb er privat, nicht für die Firma, das Klostergut Althaldensleben. Dippes Forstbeamte sorgten für Aufregung, als sie das Betreten des Parks und der Gutsforsten verboten und Ostern 1894 die Ausflügler auf die öffentlichen Verkehrswege zurückwiesen. Das dortige Wochenblatt berichtete am 12. Juli 1894: „Am Montag dieser Woche hat der jetzige Besitzer des hiesigen Klostergutes, Herr Commerzienrath Dippe Quedlinburg hier seinen feierlichen Einzug gehalten, um mit Familie auf seinem neuen Besitzthum einige Zeit zu wohnen. Dippe wohnte nur zeitweise auf dem Klostergut und nutzte seinen Besitz hauptsächlich als Jagdrevier. So wurden 1897 bei einer Jagd im Park 32 Fasane, 55 Kaninchen und 8 Hasen erlegt. Gärtnerische Aktivitäten dürften sich damals auf den hausnahen Bereich des Dippeschen Gartens beschränkt haben.“ Die Fasanerie wurde vergrößert. Wie es scheint, ließ Dippe die erstmals in den Park integrierten Baumschulflächen, die später landwirtschaftlich genutzt wurden, in dem Sinne von August Goedde gestalten. Dippe konnte seinen Althaldenslebener Besitz leider nur einige Jahre genießen. Er starb unerwartet am 6. Juni 1900 in Berlin. Seine Witwe Emmi, geb. Maykath, hielt den Besitz zunächst in eigener Verantwortung, bis dann der Sohn Gustav von Dippe und letztlich 1911 der Schwiegersohn Hans von Mackensen Eigentümer wurde. Am 29. April 1905 heiratete der 29jährige Oberleutnant die 17jährige Margarethe Ottilie von Dippe, die jüngste Tochter des verstorbenen Kommerzienrates von Dippe. Das Wochenblatt berichtete: „Die Übernahme des Gutes durch Herrn von Mackensen erfolgt am 1. Januar 1912. Der bisherige Besitzer Gustav von Dippe ist bereits nach Quedlinburg übergesiedelt.“
Ein weiterer bekannter Quedlinburger kam auch aus Althaldensleben. Paul Josef Beer, geb. 1895 in Breslau, wurde am 17. März 1930 neuer Obergärtner in Hundisburg. Er war ein Fachmann für Obstplantagen und gartenkünstlerische Aktivitäten. Nach 1945 konnte er als Gärtnermeister Beer in der Gutsgärtnerei Hundisburg weiterarbeiten. Im Frühjahr 1952 verließ Paul Beer Hundisburg und wurde Wirtschaftsleiter des VEG Quedlinburg. Dieser Betrieb ging u.a. aus der 1945 enteigneten Gebrüder Dippe AG hervor. Beer wirkte dann in Quedlinburg bis zu seinem Tod am 29. August 1959.
Sein Sohn Herbert Beer, geb. 31. Mai 1935 in Hundisburg, wurde auch Gärtner. Herbert lernte in Egeln und Hundisburg, absolvierte die Fachschule für Gartenbau in Quedlinburg und die Hochschule für Landwirtschaft Bernburg mit dem Abschluss als Diplomgärtner. Von 1959 bis 1992 war Herbert Beer als Fachschullehrer an der Fachschule für Gartenbau in Quedlinburg tätig.
Literatur
Gäde, Helmut, Mitteldeutsche Landwirte und Gärtner, Lebensläufe, Lebenswerke und Vermächtnisse von Männern und Frauen die sich um Nahrungsgüter und eine schöne Umwelt sorgten, docupoint Sachbuch Barleben 2010, S.71ff
Hauer, Ulrich, Von Kunstgärtnern und Gartenkunst, 2005, Haldensleben-Hundisburg, verschiedene Seiten
Links
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottlob_Nathusius