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Tafel an Grundstücksmauer zum Neuen Weg:
Das Institut für Pflanzenzüchtung – ein neues Modell der Wissenschaft
Im Herbst 1945 wurden die großen Saatzuchtbetriebe Quedlinburgs mit über 100 ha Fläche enteignet. Gustav Becker ist es damals dank seiner engen Beziehungen zu Edwin Hoernle (s. u.) und engagierten Pflanzenzüchtern verschiedener Saatzuchtfirmen gelungen, die drohende Aufteilung der Zuchtflächen an Neubauern zu verhindern. Dies hätte zum zusätzlichen Verlust von Fachkräften, wertvollem Zuchtmaterial und den notwendigen Zucht- und Produktionsflächen geführt.
Ein Befehl des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland im Februar 1946 regelte die Aufgaben und die Organisation der Pflanzenzüchtung in der damaligen sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Im Ergebnis wurden, basierend auf den früheren großen Saatzuchtfirmen, vier staatliche DSG–Betriebe gegründet (DSG = Deutsche Saatzucht- Gesellschaft). Kleinere Privatbetriebe wie Beck & Co., Gebr. Laux, Carl Sperling, Otto Storbeck, Alexander Grußdorf und P. J. Schmidt durften zunächst noch selbstständig weiterarbeiten und auch züchten.
Ebenfalls in Folge des o. a. Befehls erließ der Präsident der Deutschen Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft in der SBZ, Prof. Dr. E. Hoernle, am 15. Juni 1947 eine Verordnung, in der die Bildung eines „Institutes für praktische Pflanzenzüchtung“ angewiesen wurde. So entstand 1947 in Quedlinburg im Rahmen der DSG das Institut für praktische Pflanzenzüchtung (IfP). Es wurde ab 1951 als Institut für Pflanzenzüchtung in die Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (DAL) eingegliedert. Sein Leiter war Prof. Dr. Gustav Becker. Aufgaben des Institutes waren Gemüsezüchtung und Züchtungsforschung. Hierbei konnte sich Becker auf erfahrene Gemüsezüchter wie Adam in Hadmersleben, Pech aus Aschersleben sowie Vogel, Fabig und Pauly aus Quedlinburg stützen. Außer Gemüsearten wurden bis Anfang der 70er Jahre in beschränktem Maße auch Getreide-, Blumen- und Heilkräuterzüchtung betrieben. Anfang der 1950er Jahre wurde der Labortrakt zwischen beiden Villen unter Leitung von Otto Nagel, Chef der Handwerkerbrigade, gebaut.
1972 erfolgte im Rahmen einer Reorganisation die Umbenennung (s. Artikel zu DSG/VEB und VVB).
Aus dem IfP wurde das Institut für Züchtungsforschung (IfZ); die DAL nannte sich nun AdL (Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR). Die Verwendung des Begriffs „Züchtungsforschung“ hatte Gustav Becker als Schüler Fritz von Wettsteins bereits 1947 angeregt, jedoch vergeblich. Von Juni 1947 bis zur Auflösung am 31. Dezember 1991 wurde in diesem Institut die komplette Linie der Sortenzüchtung, von der Grundlagenforschung verschiedenster Disziplinen bis zur fertigen Prüfung von Neuzüchtungen, durchgesetzt. Die Biophysik, Biochemie, Genetik, Biophysiologie und Gewebekultur, Zentrale Datenverarbeitung für alle Forschungsbereiche und Serviceabteilungen wie Archiv und Fotoabteilung arbeiteten eng für die anschließende Neuzüchtung der Sorten zusammen. Bis 1991 wurden im Institut allein 314 neue Sorten geschaffen und spezialisierten Saatzuchtgütern zur Erhaltung und Saatgutproduktion übergeben.
Das IfZ war ein Leitinstitut der Pflanzenzüchtung im RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe). Zahlreiche Kongresse und internationale Veranstaltungen fanden statt oder wurden besucht. Mit Instituten im RGW wurden Gemeinschaftssorten gezüchtet. Nationale und internationale Veröffentlichungen trugen zum guten Renommee des Institutes bei. Ende 1991 hatte es mit vier Außenabteilungen in Hadmersleben, Bad Doberan, Naumburg und Dornburg 940 Mitarbeiter.
Danach wurde das westdeutsche System der privaten Sortenzüchtung auch in Quedlinburg durchgesetzt. Die Leistungen des IfP/IfZ trugen wesentlich dazu bei, dass am 1. Januar 1992 die Bundesanstalt für Züchtungsforschung (BAZ) in Quedlinburg gegründet wurde und hier bis 2007 ihren Hauptsitz hatte. Es gehörten nun 12 Institute an acht Orten in sieben Bundesländern dazu. Ab 2008 setzte die jetzt in Julius Kühn-Institut (JKI) umbenannte Einrichtung deren deutschlandweiten Arbeiten fort. Als Standort für das neue Wissenschaftszentrum wählte man in Quedlinburg den Moorberg, einen alten Dippe-Zuchtgarten.