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Tafel am Gebäude:
Die Blumenbinderin Mathilde Ebert - Pionierin der deutschen Floristik
Zu einem der 73 Gartenbau- und Saatzuchtbetriebevor 1945 zählte auch der Traditionsbetrieb Gebrüder Ebert. Die Frauen der Gärtnerfamilie Ebert in Quedlinburg waren über zwei Jahrhunderte gestandene Gärtnerinnen, obwohl sie meist keine Berufsausbildungmachen konnten. Sie mussten in der zweiten Reihe stehen, da der Betrieb über Generationenstets an den ältesten Sohn verkauft wurde.
Mehrmals bewiesen diese starken Frauen jedoch ihre Geschäftstüchtigkeit und ihr Talent und führten den Betrieb nach dem Tod ihrer Ehemänner erfolgreich fort. Nach GEHRE 2009 stand der Gärtnerberuf über Jahrhunderte bei Eberts im Vordergrund.So gab es unter anderem Verbindungen zu anderen Gärtnerfamilien wie Grashoff, Sachtleben, Schreiber, Schickardt und Ziemann.
Bereits 1735 begann der Gärtner Heinrich Christoph Ebert mit dem Anbau von Gemüse und bewirtschaftete die sogenannte Tackenburg am Itschensteg.Nachdem diese abbrannte, wurde 1883 ein neues Gebäude errichtet, welches heute noch existiert. Bis 2018 konnte man am Giebel die Inschrift „Gärtnerei von Gebr. Ebert“ lesen. Als erster Gartenbaubetrieb führte er 1880 die Tomatenkultur und die Tomatenneuzüchtung in Quedlinburg ein. Noch 1944 entstand eine Stabtomatensorte. Leider gibt es keine Preisverzeichnisse und auch die anderen Namen der Sorten oder des Saatgutes sind nicht bekannt.
Heinrich und Julius Ebert betrieben als Gebr. Ebert die Gärtnerei Anfang des 20. Jahrhunderts. Julius Ebert (1878-1915) fiel im ersten Weltkrieg 1915 in Kossewo/Russland. Seine Frau Marie führte den Betrieb fort, obwohl sie den Beruf der Gärtnerin nie gelernt hatte. Vor allem ihre Begonien-Jungpflanzen waren von höchster Qualität und deutschlandweit bekannt. Dem Erbe verpflichtet fühlte sich auchTochter Anneliese, die ihre Mutter unterstützte und nach deren Tod versuchte, den Betrieb, neben ihrer Tätigkeit als Organistin, mit der Zucht von Primeln und Stiefmütterchen zu erhalten.
Die Töchter und Frauen der Familie Ebert arbeiteten nebenher meist ohne eine Berufsanerkennung als Blumen- und Kranzbinderinnen. Von ihnen wurde Mathilde Ebert (1868-1936) deutschlandweit bekannt. Sie betrieb in der Heiligegeiststraße ein Blumengeschäft. Die Vielseitigkeit ihres Angebotes zeigte sie in einer Werbung von 1914 für ihren Blumenladen: Dekoration für Taufen, Konfirmation und Trauungen, Braut- und Tafelschmuck sowie Gebinde für Trauerspenden in Form von Kränzen, Kreuzen oder Girlanden konnte man bei ihr anfertigen lassen. Ein Versand „nach außerhalb“ war ebenso möglich und eine „tadellose Verpackung“ garantiert.In ihrem ehemaligen Ladengeschäft befindet sich heute eine Bäckerei.
Die Kreationen von Mathilde Ebert erhielten international höchste Preise. Sie lehrte an der Höheren Lehranstalt für Gartenbau in Weihenstephan und sorgte dafür, dass Blumenbinderin (heute Floristin) zum anerkannten Lehrberuf wurde. Damit ist sie eine der wenigen Frauen im Quedlinburger Gartenbau, die auch in der Öffentlichkeit neben ihren männlichen Berufskollegen bestanden. Es ist ein besonderes Anliegen der IG Saatguttradition, Mathildes Eberts Namen und Schaffen ins öffentliche Bewusstsein zurückzuholen.