Standort: Eingang Stumpfsburger Garten / Stumpfsburger Brücke stadtauswärts > Google Maps
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Tafel am Aufsteller:
Der Stumpfsburger Garten – bekanntester Blumenzucht- und Schaugarten Deutschlands
Von allen Quedlinburger Zuchtgärten war der Stumpfsburger Garten der bekannteste. Gäste der Firma Mette besuchten den Referenzgarten wegen der riesigen Auswahl an Blumensorten. Angeblich soll ihr Duft während der Blühsaison bis in die Stadt hinein gereicht haben.
Johann Heinrich Andreas Mette erwarb in den 1850er Jahren den „Hof auf dem Moore“ mit 50 preußischen Morgen hinter der Stumpfsburg. Diese wiederum befindet sich möglicherweise am Ort einer bereits im Mittelalter bestehenden Befestigung, die den Übergang über die nur wenig weiter nördlich fließende Bode sicherte. Wie Kleemann 1898 berichtete, baute die Firma H. Mette 3800 Spielarten (heute: Sorten) von einjährigen, zweijährigen und ausdauernden Zierpflanzen an. Die Gärtner und Heinrich Mette selbst hatten zahlreiche eigene Sorten gezüchtet, die die Kundschaft im Stumpfsburger Garten bewundern konnte.
1934 feierte die Saatzucht Heinrich Mette ihr 150-jähriges Betriebsjubiläum. Dieses Ereignis wurde durch die NSDAP für Propagandazwecke ausgenutzt. Die Herren Mitsching und Abschnittsleiter Ay gratulierten den Firmeninhabern Heinrich Mette und Konrad Vogler in Uniform vor Fahnenschmuck. Die sogenannte Gefolgschaft (Name für Belegschaft im Faschismus) feierte einen Festabend im „Kaiserhof“ u. a. mit einer Rede des Prokuristen und Leiters der Blumensamen-Abteilung Robert Finkelmann. Auf dem Bild der Feier im „Quedlinburger Kreisblatt“ vom 1. März 1934 sind interessanterweise fast nur Männer zu erkennen. Das Jubiläum wurde in einem nahezu anonym gehaltenen Stein verewigt. Dieser trägt die Inschrift „1784 – 150 Jahre Samenzucht 1934“ und befand sich rechts vorm Eingang des „Stuga“. Er wurde aber bereits 1945 wieder entfernt. Ein Grund war sicherlich die Jahreszahl 1934. Eine Kopie konnte 2006 auf Initiative des damaligen Vorsitzenden des Fördervereins für eine LAGA in Quedlinburg, Herrn Dr. Martin Stein, in einem Festakt neu gesetzt werden.
Am 23.12.1945 wurde das zweitgrößte und ebenfalls weltbekannte Quedlinburger Saatzucht-Unternehmen mit allen Teilen durch einen Enteignungsbescheid des Regierungspräsidenten in Magdeburg in Landeseigentum überführt und erst in den DSG Betrieb II (ehemals H. Mette) umgewandelt. Konrad Vogler protestierte vergeblich dagegen und musste in den Westen flüchten.
Erika Braem, geb. Mette (1904-1996), wohnte mit ihrer Familie und ihrer Mutter bis Ende 1945 in einem Wohnhaus links neben dem Tor im Zuchtgarten. Fotos zeigten die Flächen vor dem Wohnhaus zur Gartenseite tadellos gepflegt. Danach wurde das Haus in den Betriebskindergarten des Institutes für Pflanzenzüchtung umfunktioniert und 1991 ganz geschlossen. Das Gebäude stand jahrelang leer und musste teuer instand gesetzt werden. Heute befindet sich dort eine medizinische Einrichtung.
Aus dem Betrieb DSG II wurde 1947 der Stumpfsburger Garten ausgegliedert und dem DSG-Institut für praktische Pflanzenzüchtung unterstellt. Später erfolgte der Bau von Glasgewächshäusern und in den 1970-er Jahren der Neubau eines Bioklimalabors. Der Zuchtgarten diente speziell den wissenschaftlichen Bereichen des Institutes für Pflanzenzüchtung der DAL bis 1970, dann Institut für Züchtungsforschung der AdL. Experimente erfolgten im Freiland und den Gewächshäusern.
Die Schließung kam um 1992/93 nach der Gründung der Bundesanstalt für Züchtungsforschung, deren Vorsitzender den Zuchtgarten als nicht notwendig erachtete. Kurzfristig existierte noch das Bioklimalabor, welches am 30.06.2000 geschlossen wurde. Eine zunächst geplante Bebauung konnte nicht umgesetzt werden. Beinahe über Nacht erfolgte dann 2015 der Abriss der alten Gewächshäuser. Heute befinden sich dort Wohnhäuser und Rasenflächen. Eine private Nutzerin betreibt seit 2015 ein Stück als sogenannten “Mathildengarten“. Die Grabstätten der Familienmitglieder Mette sind auf dem Wiperti-Friedhof in Quedlinburg erhalten.