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Standort: Neuer Weg 24A   > Google Maps

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Tafel an Grundstücksmauer zum Neuen Weg:

Station6

Die Gebrüder Dippe – durch Rübenzucht zu Millionären

Bereits 1857 gab Gustav A. Dippe sein erstes „Preisverzeichnis von in- und ausländischen Gemüse-, Feld- und Blumensämereien“ heraus. Frühzeitig erkannte er die Bedeutung der Zuckerrübenzüchtung und steckte ab 1860, noch mit seinem Bruder, seine Energie in die Selektion und den Samenbau dieser relativ neuen Kulturart. Sein Sohn Carl von Dippe war es dann, der die ursprünglich von der französischen Firma Vilmorin entwickelte revolutionäre Zuchtmethode der Individualauslese mit nachfolgender Nachkommenschaftsprüfung in Deutschland einführte.

Die Familie Dippe gab es im Harzvorland bereits seit 1470. Der geschlossene Dippesche Stammbaum geht bis 1697 zurück. Gustav Adolf Dippe (1824-1890) übernahm 1844 von seiner Mutter Anna Magdalena, geb. Fricke, die 7,5 Hektar große Gärtnerei seines verstorbenen Vaters Johann Martin. Gemeinsam mit seinem Bruder Christof Lorenz (1819-1895) begründete er die im Handelsregister 1850 eingetragene Firma Gebr. Dippe, welche der ältere Bruder aus gesundheitlichen Gründen jedoch 1863 wieder verließ. Er bewohnte noch bis zu seinem Tod ein Haus „Jesus mein Beistand“ in der Turnstraße. 1850 heiratete Gustav A. Dippe Johanna H. D. Grashoff (1824-1870) aus Timmenrode.

Dippe1Andere Saatzuchtunternehmen, z. B. Rabbethge & Giesecke in Klein Wanzleben um 1880, wandten diese neue Zuchtmethode später ebenfalls an. Carl von Dippe und seine Nachfolgegenerationen hielten stets enge Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen und privaten Rübenzüchtern, z. B. zu Wilhelm Rimpau in Schlanstedt/Langenstein. Die Verbindung von praktischer Pflanzenzüchtung zusammen mit der Nutzung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse bestimmte die Arbeit der Firma Gebrüder Dippe dauerhaft. Sie lieferte 12% des Weltverbrauchs an Rübensamen. Die Firma zählte zu den deutschlandund weltweit führenden Saatgutunternehmen. Bereits 1907 umfasste die Preisliste über 4.700 Artikel!

Trotz des enormen Erfolges baute Gustav. A. Dippe erst 1870 seine erste Villa für die Familie und das Gärtnerpersonal im Neuen Weg 20, Ecke zur Seilergasse. Sein Wunsch, immer neue Sorten zu kreieren und alte zu verbessern, war ungebrochen. Bauliche Erweiterungen auf dem 6,5 ha großen Areal des heutigen Dippe- Haupthofes erfolgten in den darauffolgenden Jahren, darunter zwei repräsentative Villen seiner Kinder. Um 1890 umfasste der Grundbesitz des Unternehmens bereits 2.500 Hektar. Dazu gehörten die Güter Neundorf bei Staßfurt und Röderhof bei Halberstadt. Die Rübensamenproduktion in firmeneigenen Gütern in Polen, der Ukraine und Südrussland war die Basis der Firmeneinkünfte. Später, um 1920, kamen noch drei Güter in Oschersleben und 1935 in Mahndorf dazu.


Dippe2Gustav A. Dippe starb 1890 als Millionär in San Remo und hatte seine Grabstelle auf dem Wiperti-Friedhof in Quedlinburg. In seinem Nachlass stellte er dem Personal eine Million Reichsmark zur Verfügung. Auf ihn ging auch die „Unterstützungskasse der Gebrüder Dippe“ zurück. Etwa 500 Betriebswohnungen, davon über 270 in Quedlinburg, dienten dem Firmenpersonal. Eine langjährige Betriebszugehörigkeit war fast die Regel; z. B. blieb der Blumenzüchter und -kenner Robert Beist dem Betrieb 67 Jahre treu! Aus einer Reihe nicht unbedeutender Stiftungen konnte 1921 das städtische Säuglingsheim in der Schillerstraße/ Ecke Taubenbreite, damals Lazarettstraße 1, geschaffen werden. Mit der Übertragung an die Stadt erhielt es den Namen „Gebrüder Dippe Stiftung“.

1913 war G. A. Dippes Sohn Friedrich Christoph Dippe mit einem Vermögen von 50 Millionen und einem jährlichen Einkommen von 1,9 Mill. Mark der reichste Mann der preußischen Provinz Sachsen. Seine Schwester Anna Esche galt als drittreichste Person in Sachsen. Im Jahre 1915 erfolgte die Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft mit drei Teilhabern aus der Familie. Direktor Dr. Ludwig Kühle führte die Firma durch den I. und II. Weltkrieg. Er initiierte 1908 die Gründung der Gesellschaft zur Förderung der deutschen Pflanzenzucht. Zahlreiche weltbekannte Wissenschaftler, wie Hans Kappert, begannen ihre wissenschaftliche Karriere als Saatzuchtleiter im Un- Levkojen im Drachenloch 1931 Gustav Adolf Dippe (1824 – 1890) legte den Grundstein für den Aufstieg der Dippeschen Samenzüchterdynastie ternehmen. Viele hochrangige Pflanzenzüchter waren ständige Gäste der Dippe AG. Ludwig Kühle und Fritz von Wettstein, Direktor des Kaiser-Wilhelms-Instituts für Biologie Berlin-Dahlem, betrieben die Schaffung einer firmeneigenen wissenschaftlichen Abteilung für die Züchtungsforschung, Deren Leiter wurde 1935 Gustav Becker. Die Abteilung bildete später die Grundlage für das 1947 gegründete DSG-Institut für praktische Pflanzenzüchtung im ehemaligen Dippe- Hof. Teilweise niedrige Löhne, Kinderarbeit, der Einsatz von Kriegsgefangenen in beiden Weltkriegen, die Tätigkeit von Fachleuten im besetzten Polen und der Ukraine stehen für die Schattenseiten des Unternehmens.

Dippe3

Im Frühjahr 1945 hatte die Gebr. Dippe AG noch ca. 2.500 Mitarbeiter. Die genauen Vorgänge in der Firma während des kurzen Intermezzos der amerikanischen Truppen in Quedlinburg oder Details der Übernahme durch die sowjetische Besatzungsmacht sind sehr wenig belegt und bekannt. Die beiden Vettern Hans von Dippe, gestorben 1962, und Carl Esche, gestorben 1978, führten die Firma nach deren Weggang aus Quedlinburg nach 1945 in Herford/Westfalen mittels mitgenommenem Zuchtmaterials als Saatzucht GmbH fort. Die Firma wurde dann an einen schwedischen Saatgutkonzern verkauft.

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