• Kopf_zpf.jpg

Standort: Adelheidstr. 1   > Google Maps

(Fotos zur Vergößerung anklicken)

Tafel links an der Toreinfahrt :

Station9

 

VVB Saat- und Pflanzgut - das Saatgut-Imperium der DDR

Auf dem Areal des Bodegartens an der Turnstraße, einem früheren Zuchtgarten der Gebr. Dippe AG, befindet sich heute die Harzsparkasse. Nebenan in der Adelheidstraße 1 errichtete Max Schneck 1903 für die Casino Gesellschaft Zimmermann & Schankwirt den Erweiterungsbau von „Richters Etablissement“. Die Casino Gesellschaft bewirtschaftete das Gebäude von 1910 bis 1935. Ab 1935 wurde dann an dieser Stelle das Blumensamenlager der Gebr. Dippe AG eingerichtet.

vvb1

Leiter war Robert Beist (1855-1944), der beste Kenner deutscher Sommerblumensorten. Die Deutsche Saatzucht-Gesellschaft (DSG) übernahm nach der Enteignung der Gebr. Dippe AG 1945 das Areal. Allerdings diente das Gebäude als Kulturhaus des Volkseigenen Gutes (S) „August Bebel“ den Quedlinburgern auch noch einige Jahre für Tanzveranstaltungen.

1962/63 erfolgte der Umzug der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Saat- und Pflanzgut, dem wirtschaftsleitenden Organ der Saatgut- und Pflanzgutwirtschaft der DDR, von Ostberlin nach Quedlinburg. vvb2Diese ging aus der Abt. Saatzuchtgüter bei der Hauptverwaltung Volkseigene Güter im Ministerium für Landwirtschaft hervor und war 1958 in Ostberlin geschaffen worden. Sie fasste außerdem alle 78 DSG Handelsbetriebe unter ihrem Dach zusammen, die bis dahin unter Leitung der Hauptverwaltung Saatgut des Ministeriums standen. Durch das Wirtschaftsleitungsorgan wurden 1967 das Organisations- und Rechenzentrum (ORZ) und das Ingenieurbüro für Saatgutwirtschaft aufgebaut. Beide waren Teile der VVB, befanden sich jedoch an anderen Standorten in Quedlinburg. Sie wurden 1988 zum VEB Wissenschaftlich-Technisches Zentrum zusammengelegt.
vvb3Das neue Bürogebäude entstand 1966. Seitdem war es zusammen mit dem angrenzenden Altbau im ehemaligen Casino Sitz der Zentrale der DDR-Pflanzenzüchtung und -Saatgutwirtschaft. Der Generaldirektor der Einrichtung war lediglich dem Ministerfür Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft rechenschaftspflichtig. Die VVB hatte im Auftrag desMinisteriums und entsprechend der Direktiven der SED-Führung das staatliche Monopol in Pflanzenzüchtungund Saatgutwirtschaft durch zusetzen sowie die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung als oberstes Gebot zu gewährleisten.vvb4

 In der VVB wirkten der langjährige verdiente Generaldirektor Dr. Günter Koehler, Produktionsdirektor Günter Möder und Forschungsdirektor Dr. AchimVeckenstedt an der Spitze eines umfangreichen Mitarbeiterstabs. Sie verwalteten in einer sich über die gesamte DDR erstreckenden Organisation unter anderem 20 regionale bzw. nach Fruchtarten spezialisierte Saat- und Pflanzgut-Handelsbetriebe, des Weiteren 117 Saatzuchtgüter mit ca. 110.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 57 Zuchtstationenmit etwa 4.000 ha Zuchtgartenfläche. Insgesamt waren mehr als 20.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Die Zucht- und Produktionssortimente umfassten nicht nur die Hauptkulturen wie Saatgetreide, Pflanzkartoffeln, Rüben- und Gemüsesamen, sondern beinhalteten auch Vermehrungsmaterial für Zierpflanzen, Baumschulen, Weinbau und Pilzzucht.

vvb5Bemerkenswert ist hinsichtlich der aktuellen Diskussion, dass es sogar eine zentrale Bienenforschungsstelle gab und der Einsatz der Bienenvölker für die Bestäubung der Vermehrungskulturen DDR-weit gemanagt wurde.

 Außerdem wurde durch die VVB-Zentrale die Zusammenarbeit mit den AdL-Instituten in den ab 1963 gegründeten 17 Züchtergemeinschaften sowie die internationale Kooperation mit den Züchtungseinrichtungen und Saatgutorganisationen der sozialistischen Länder im Rahmen des RGW („Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe“) koordiniert.

vvb6Viele der leitenden Mitarbeiter erhielten ihre fachliche Ausbildung als Pflanzenzüchter oder im Saatgutwesen an der Martin-Luther-Universität Halle/Saale, Sektion Pflanzenproduktion. Außerdem gab es für die zielgerichtete Nachwuchsausbildung eine eigene Agraringenieurschule für Saatgutwirtschaftin Neugattersleben sowie Betriebsberufsschulen in den Saatzuchtgütern.

Dank dieser straffen und wissenschaftlich fundierten Organisation konnte der jährliche Aussaatbedarf in der DDR mit allen Arten von Saat- und Pflanzgut regelmäßig gesichert sowie die erforderliche Innovation in der Saatzucht und Saatgutproduktion vorangetrieben werden. Außerdem wurden durch die beträchtlichen Saatgutexporte und Lizenzvergaben ein hohes Devisenaufkommen für den Staatshaushalt erwirtschaftet.vvb7

1988 erfolgte dann die Umwandlung der VVB in dasVolkseigene Kombinat für Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft. Es existierte bis 1990. In etwa vier Jahrzehnten war die DDR-Saatgutwirtschaft somit zu einem außerordentlich leistungsstarken Wirtschaftszweig entwickelt worden. Das VE Kombinat für Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft war nicht nur eines der leistungsfähigsten DDR-Kombinate, sondern ebenso beispielgebend für die Saatgutorganisationen der anderen sozialistischen Länder.

vvb8Mit seiner konzernähnlichen Struktur und einem Jahresumsatzvon 4,5 Mrd. DDR-Mark brauchte das Kombinat auch den Vergleich mit den größten westeuropäischen Saatgutunternehmen nicht zu scheuen. Mit Fug und Recht kann es daher rückblickend als „Saatgutimperium“ bezeichnet werden.

Nicht zu vergessen: Ein großer Teil des intellektuellen und materiellen Potentials der Branche in der DDR wurde dafür in Quedlinburg konzentriert. Dieses bildete vielfach auch die Grundlage für den Neustart von Instituten und privaten Saatgutunternehmen in der Region nach 1990.

Die Umwandlung des Kombinates in eine Aktiengesellschaft mit dem von alters her noch vertraut klingenden Namen „Deutsche Saatzucht AG“ entsprechend der von der Modrow-Regierung1990 geplanten Transformation in die Marktwirtschaft stellte nur ein kurzes Intermezzo dar. Auf der Grundlage des Einigungsvertrages begann ab Ende 1990 die komplette Zerschlagung dieses leistungsstärksten deutschen Saatgutkonzerns durch die Treuhand. Durch dessen Zerlegung in einzelneTeile wurde befürchtete Konkurrenz ausgeschaltet und die Integration in die mittelständisch geprägte westdeutsche Saatgutwirtschaft bewerkstelligt. So gingen die Kombinatsbetriebe fast ausschließlich an Saatzuchtunternehmen aus der Alt-BRD, in wenigen Fällen aber auch an andere westeuropäische Saatgutkonzerne oder im Rahmen des Management-Buy-Outs an ehemalige leitende Mitarbeiter.

Zu Beginn der Umwandlung 1991 firmierten noch 44 GmbH als Tochtergesellschaften der Saatzucht AG. Im Jahr 2000 war dann die Privatisierung =Auflösung „erfolgreich“ abgeschlossen. Das größte landwirtschaftliche Unternehmen in Deutschland hatte endgültig aufgehört zu existieren.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.