Im 19. Jahrhundert spezialisierten sich die gartenbaulichen Tätigkeiten. In Sachsen, Dresden, und der preußischen Provinz Sachsen, Merseburg, wurde an verdiente langjährige Mitarbeiter in den Behörden und Saatzucht-Unternehmen der Titel eines Inspektors, mit unterschiedlichen Bezeichnungen, vergeben. Ebenso wie die Höhere Staatslehranstalt für Gartenbau Dresden-Pillnitz bildete die 1896 von Prof. Dr. Hans Settegast gegründete Gartenbaulehranstalt in Bad Köstritz Gartenbauinspektoren, später auch Diplom Gartenbauinspektoren, für Leitungsfunktionen aus. Wer waren die Garten- oder Saatzucht-Inspektoren?
Paul Schindel, der Gestalter der Kuranlagen in Bad Elster, Paul Schindel, erhielt um 1880 den Titel Königlicher Gartenbau-Inspektor. Er verstarb 1921. Aber auch in Berlin konnte Eduard Neide, am 1. April 1818 in Magdeburg geboren, eine stattliche Kariere starten: Gärtnerlehre in der Nathusius'schen Baumschule in Althaldensleben, im Königl. Dienst im Tiergarten zuerst als Obergärtner, später als Garten-Inspektor und schließlich als Garten-Direktor.
Aus der Familie Hermann August Wilhelm Mette in Könnern/Sa. begann der zweitälteste Sohn Otto Carl Wilhelm Mette (1877-1951) seine Gärtnerlehre beim Garten-Inspektor Eichler in der Schlossgärtnerei Wernigerode. Er startete in seiner Gärtnerei mit dem Samenbau und Schnitt-blumenanbau.
Insgesamt arbeiteten allein für die Firma Dippe 12 Saatzucht-Inspektoren und Obergärtner, mehr als 130 gelernte Gärtner, 60 Hofmeister und Aufseher. 1926 wurden drei langjährig beschäftigte Inspektoren genannt. Gustav Carl Fiedler, Gartenbau-Inspektor in der Gebr. Dippe AG, begann als Hospitant 1859 an der Gärtnerlehranstalt am Wildpark bei Potsdam. Fiedler konnte auf eine 63jährige Dienstzeit in der Firma Dippe zurückblicken! Diese gehobene Funktion beinhaltete die Kontrolle aller Feld- und Selektionsarbeiten der gärtnerischen Mitarbeiter.
Karl Martin Friedrich Sehrbunt (12.07.1842-31.10.1920, Quedlinburg) war verheiratet mit Johanna Catharina, geb. Koller, mit der er 4 Kinder hatte. Er war von 1857 bis 1920 in derselben Firma, davon die längste Zeit dieser 63 Jahre als Saatzucht-Inspektor und zuständig insbesondere für die Zuckerrübenzüchtung.
Auf 55 Jahre ununterbrochener Arbeit in der Firma Dippe konnte der Saatzucht-Inspektor Ferdinand Schuhmann zurückblicken.
Über die Feldflur verteilt, wurden rund um Quedlinburg, Rübenzucht- und Prüffelder angelegt. Ebenso wuchsen auf den Feldern Blumen, Gemüse und Gewürzpflanzen für die Samenvermehrungen. Mittels Kolonnen von Männern und Frauen, z.T. Saisonkräften, unter Aufsicht durch die Obergärtner u.a. Bittkau und Engel, dem Gartenbau-Inspektor Paul Vogel und Saatgut-Inspektoren wie Robert Johann Beist, musste das Pflanzmaterial mit der Hand, die restlichen Kulturen per Sämaschine in den Boden gebracht werden.
Der Vermehrungsanbau von Blumensamen und die Lagerhaltung in der Adelheidstr. 1 wurde von Beist betreut, der in Europa als bester Kenner des Blumensamensortiments galt. Er war von 1865 bis 1932 bei der Firma Gebr. Dippe AG beschäftigt, war hier noch als 80-Jähriger bis 1935 im Beruf tätig und starb zuletzt 1944 als Saatzucht-Inspektor.
Bildmitte Robert Johann Beist
Dr. Friedrich Fabig und Paul Vogel
Paul Vogel (1899-1977) war ein produktiver und kreativer Blumen- und Gemüsezüchter in der Gebr. Dippe AG und hatte eine Zuchtabteilung im Institut für Pflanzenzüchtung Quedlinburg. Er schuf 22 Blumen- und 19 Gemüsesorten, darunter die Tomate „Harzer Kind“ und zahlreiche Asternsorten verschiedenen Typs.
Paul Vogel
Fritz Beyme mit Frau Elisabeth
Theodor Tugendheim (1868-1945) arbeitete sich vom Gärtner, Obergärtner zum Gartenbau-Inspektor empor. Diesen Titel hatte er sowohl in der Firma David Sachs als auch bei Fa. Rudolf Schreiber & Söhne inne.
Friedrich Fabig trat 1941 in die Fa. Rudolf Schreiber & Söhne als ausgebildeter Gartenbau-Inspektor ein und hatte die Funktion eines Saatzuchtleiters.
Aber auch in der Ascherslebener Firma Terra AG gab es diese Bezeichnung. Der erfolgreiche Tomatenzüchter Friedrich Beyme aus dem Gartenbaubetrieb Gustav Beyme lernte seinen Beruf in Aschersleben. Lebenslang gab er später als Beruf Saatzucht-Inspektor an.
Obwohl tausende Frauen als Saisonkräfte oder fest angestellte Mitarbeiterinnen im Gartenbau und speziell in der Saatzucht und im Samenbau über die Jahrzehnte in Quedlinburg, Erfurt, Aschersleben, Eisleben und anderen Orten tätig waren, ist keine Inspektorin überliefert worden!
Die Literaturquellen sind bei dem Autor einsehbar.
Fotos: Archiv R. Bielau und Hartwig Beyme