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(Beitrag zur Serie: Schon mal gehört von… ?)

Ein markanter Speicher in Quedlinburg

Vielleicht ist der eine oder andere Besucher unserer website durch die aktuelle Berichterstattung in der Presse auf den Moorhof gestoßen. Aus diesem Anlass ein paar Hintergrundinformation dazu.

Die Gebr. Dippe sind 1899 als Eigentümer dieses beherrschenden Hofkomplexes für Saatgutspeicherung und  Tierhaltung an der Chaussee nach Gernrode (Gernröder Weg) Nr. 4a eingetragen. Gemäß vorliegendem Kartenmaterial aus dem Jahr 1902 grenzte damals stadtauswärts direkt an der Mauer der Schießstand, heutiger Parkplatz des Sportplatzes, und der Reitplatz der Kürassiere An der Moorschanze an. Diese waren im Rambergweg stationiert. Im Jahr 1920 wurde aus dem Reitplatz der Städtische Sportplatz An der Moorschanze. Die umfangreichen Kuh-, Schaf- und Schweinebestände dienten hauptsächlich der Gewinnung von organischem Dünger für die betrieblichen Feldkulturen. Im 1. Weltkrieg wurde Milch an die Betriebsangehörigen verteilt. Ob die Saisonkräfte und dort arbeitenden Kriegsgefangenenauch ein Milch-Deputat bekamen, ist unbekannt.

Dippe MoorhofDie umfangreiche Zuckerrübensamenproduktion und deren Aufarbeitung vor dem Versand benötigte für Tausende Saatgutsäcke stabile Deckenkonstruktionen und viel Platz. Für den Bau wurden deshalb eigens Nadelholzstämme von entsprechender Länge aus Nordamerika importiert. Bis zu fünf Saatgutböden übereinander dienten der Lagerung. Aufzüge und Rutschen sorgten für einfache Transportmöglichkeiten. Für die Wasserversorgung des Moorberg-Zuchtgeländes war eine Pumpstation auf dem Moorhof eingerichtet.

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           Im Speichergebäude März 2021, Fotos: S. Plaschil

Am 10. April 1945 mussten Häftlinge des aufgelösten KZ Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt auf ihrem Todesmarsch in einer Moorhof-Scheune ihr Nachtlager nehmen. Nach der Enteignung der Gebr. Dippe AG im September 1945 wurden vom Moorhof aus die meisten ehemaligen Dippe'schen Felder bewirtschaftet. Erst Teil des DSG Betriebes I, gehörte der Moorhof nach 1950 zum VEG (S) August Bebel Quedlinburg. Hier wurden bis zum Ende des VEG eine große Schafherde und zeitweise Kühe gehalten. Die Speicher dienten weiterhin der Aufbereitung und Lagerung von Saatgut. Mehrere Böden waren regelmäßig mit Erbsensaatgut für den Export in die UdSSR belegt. Markierungen in den Balken mit dem Namen des Moskauer Außenhandelsbetriebes "Exportkhleb" zeugen noch heute davon. Auf dem Hof waren auch Traktoren u.a. schwere Feldtechnik untergestellt.

Am 11. August 1972 setzte eine Angehörige des Arbeitserziehungskommandos aus Morgenrot eine Scheune in Brand, welcher von der Betriebsfeuerwehr des VEB Saat- und Pflanzgut und Institutes für Züchtungsforschung sowie der Stadtfeuerwehr Quedlinburg erfolgreich gelöscht wurde. Der straßenseitige Anbau am linken Speichergebäude zum Moorgarten, nach 1945 Drachenlochgarten, war für die Saisonkräfte gebaut. Später waren es Betriebs- und danach bis ca. 2010 (?) private Mietwohnungen.

Nach der Liquidierung des VEG wurde der Speicherkomplex noch eine Weile durch die Pächtergemeinschaft "Moorhof" genutzt. Mit deren Auszug zum Himmelshof 1992 begann der schrittweise Verfall des leerstehenden Grundstücks. Metall- und Holzdiebe zerstörten einen Speicherteil, der 2011 einstürzte und abgerissen werden musste. Andere Teile des Moorhofes wurden von einem privaten Nutzer instandgesetzt und umgenutzt.

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Speichergebäude und ehemalige Tierställe im März 2021, Fotos: S. Plaschil

Weitgehend im Originalzustand erhalten ist noch das links liegende Speichergebäude. Es wurde jedoch auch schon durch Vandalismus und Diebstahl stark beschädigt. Dank der Intiative des Leiters der Denkmalbehörde des Landkreises Harz Dr. Schlegel wurde Ende 2020 mit der Teilrekonstruktion des Dachstuhls aus Fördermitteln begonnen. Damit ist dem weiteren Verfall dieses historisch bedeutsamen Speicherkomplex erst einmal Einhalt geboten worden. Es ist sehr zu wünschen, dass sich daran anschließend auch ein Investor für eine grundlegende Sanierung und neue Nutzung finden wird.

Literaturverzeichnis

LHASA, MER, M565, Nr. 4441, Flurstückenbelegungen 1943 bis 1949

Storbeck, Hasso mündliche Mitteilungen

Mertsch, R. 1945 eine Auflistung

Bild des Moorhofs um 1915

Karte der Stadt Quedlinburg, 1902

Karte der Stadt Quedlinburg, 1920

Bielau, Rolf, Soziale Aspekte in der Gebr. Dippe AG

Meusel, Jürgen, schriftl. Mitteilung und Fotos zum VEG Quedlinburg, 2021

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